Liebe Freunde und Förderer des Potsdamer Stadtschlosses,
seit Jahren engagieren sich der Stadtschlossverein und viele Bürgerinnen und Bürger dafür, das Friderizianische Rokoko in Potsdams historischer Mitte neu zu beleben. Dieses großherzige bürgerschaftliche Engagement verdient Dank und Anerkennung.
Nach drei Trophäen auf dem Kuppelgeschoss des Fortuna Portals in den Jahren zuvor wurde 2016 auf dem Landtagsgebäude die ersten Attika-Figuren des Herkules und eines noch nicht interpretierten Jünglings aufgestellt, 2018 die Adlergruppe, 2019 folgten auf dem Westgiebel Marcus Manlius Capitolinus und, erstmalig zur Humboldt-Straße, Theseus und Ariadne. Dank der großzügigen Spende der Cornelsen Kulturstiftung, wird demnächst die Putten- oder Fahnentreppe hinzukommen, deren Realisierung der Verein Potsdamer Stadtschloss e.V. umsetzt.
Den Weg freigemacht für dieses Engagement hatte der Landtag mit seinem Beschluss vom 20.5.2005 (Drucksache 4/1092-B) und der ähnlich lautenden Bestätigung vom 10.04.2008 und seiner Entscheidung für ein neues Parlamentsgebäude in den Grund- und Aufrissen des Potsdamer Stadtschlosses, für die Verknüpfung von Modernität und historischer Anmutung und die Übereinkunft, dass Teile der Attika und „der vielgestaltige Figurenschmuck durch Spenden finanziert werden sollen“.
Damit hat der Landtag einen wegweisenden Beschluss gefasst: Für die moderne Offenheit des Innenraums und die historische Anmutung außen. „Ceci n‘ est pas un chȃteau“. Die Inschrift an der Fassade stammt von Annette Paul, die den 2. Preis im Wettbewerb Kunst am Bau gewonnen hat. Sie verweist auf René Magrittes berühmtes Gemälde „Ceci n‘ est pas une pipe“ und zweitens auf den gleichnamigen Essay von Michel Foucault mit dem bemerkenswerten Satz: „Die Frage, ob man auch anders denken kann als man denkt, und auch anders wahrnehmen kann, als man sieht, ist zum Weiterschauen und Weiterdenken unentbehrlich.“
Dieses „Anders wahrnehmen“, „Anders denken“, Weiterdenken ist lebensnotwendig für das Parlament und die Demokratie. Der neue Landtag formuliert mit seiner Offenheit, Klarheit, Transparenz die Maxime, auf die sich unser demokratisches Staatswesen gründet. Vor den klaren weißen Wänden stehen das gesprochene Wort, das politische Handeln und der parlamentarische Prozess im Mittelpunkt. Und: Der Landtag ist zugleich Arbeitsparlament und ein offenes Haus für die Bürgerinnen und Bürger.
Die Abgeordneten hatten sich für die klaren Linien der Moderne entschieden. Der Landtag selbst hatte mit seinen Beschlüssen den Weg für die Wiederherstellung des historischen Bauschmuckes freigemacht und bürgerschaftlichem Engagement zugewiesen. Dem hat sich der Verein Potsdamer Stadtschloss verpflichtet. Jetzt sind am Landtag moderne und historische Form zueinander in Beziehung gesetzt und wirken aufeinander. Das Ergebnis ist eine Bereicherung. Weil wir Geschichte brauchen, weil, um mit unserem früheren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck und dem Philosophen Odo Marquard zu sprechen, Zukunft Herkunft braucht.
Wir sollten unsere eigene Geschichte nicht vom Neuem verdecken lassen, sondern durch das Neue sichtbar und transparent machen. Schloss Sanssouci, das Museum Barberini, die Friedenskirche oder der Alte Markt – wir können sehen, wie Architekten und Herrscher in Preußen von Italien geträumt haben, von Versailles.
Wir sehen, wie die Chiffren großer europäischer Architektur in Preußen gelesen wurden und wie uns ästhetische Wahrnehmung in Europa verbindet. Es lohnt sich, Ideen zu entwickeln, wie wir diese europäischen Verbindungslinien zwischen Potsdam und Versailles im internationalen Austausch gemeinsam erforschen können.
Nicht nur in der Architektur, auch in dem Skulpturenschmuck kulminieren europäische Vorbilder. In vielen dieser Werke der Bildhauerkunst in Brandenburg sind die großen Vorbilder der europäischen Meister frappierend sichtbar.
Ich wünsche dem Verein viel Erfolg bei seinem begrüßenswerten und ehrgeizigen Vorhaben.
Prof. Dr. Ulrike Liedtke
Präsidentin des Landtages Brandenburg